Scott Ostrom war Soldat im Irak, das hat ihn zerstört. Der Fotoreporter und Pulitzerpreisträger Craig F. Walker hat den jungen Amerikaner zehn Monate lang begleitet.
Scott Ostrom erinnert sich noch genau an diesen Werbespot, der ihn dazu veranlasste, Soldat zu werden. Es war eine Computeranimation; ein junger Mann mit groben Gesichtszügen und definierten Muskeln kämpft in einer Arena gegen riesige Drachen, überspringt anrollende Feuerbälle und durchläuft einen Parcours aus rotierenden Klingen. Als er es geschafft hat, trägt er plötzlich die Uniform der Marines, sein Blick ist fest, und im Hintergrund jubeln Menschenmassen. Eine Stimme aus dem Off verspricht: »Die Army wird dich für immer verändern.« Und ja, das hat sie wirklich.
Als Scott an einem Sommertag in Parris Island als Marine vereidigt wird, ist er 18, gesund und glücklich. Und fühlt sich fast wie in dem Werbespot: Konfetti regnet auf die Soldaten nieder, die Hymne wird gespielt, und hochdekorierte Männer halten Reden über Stolz und Ehre. Den Highschoolabschluss hatte Scott nur mit ganz üblen Noten geschafft, aber hier ist er einer der Besten gewesen. Seine Eltern strahlen. Das erste Mal seit der Scheidung sieht Scott sie nebeneinanderstehen. Schon allein dafür hat es sich gelohnt. Aber nur ein paar Tage später bekommen er und seine Kameraden den Ausrückbefehl. »Ich hoffe, ihr habt euch nicht verpflichtet, um umsonst aufs College zu gehen«, schreit ein Ausbilder sie an, »denn dann müsste ich euch enttäuschen. Ihr geht in den Irak .« Scott hatte keine Ahnung, was das ist: Irak. Er wusste nicht mal, dass sich Amerika im Krieg befindet. Wenige Wochen später ist er mittendrin: rennt, springt, schießt und tötet.
Zu diesem Zeitpunkt, im Sommer 2003, hatte Bush den Krieg bereits für siegreich beendet erklärt. Saddam Hussein war gestürzt. Die besten Nachrichten waren also schon verkündet. Es sollten nur noch schlechte folgen: von Sadisten aus Abu Ghraib oder von schießwütigen Soldaten in einem Apache-Helikopter.
Heute, im Frühjahr 2012, hängt eine riesige Weltkarte über Scotts Sofa. Jedes Land, das er schon besucht hat, hat er mit einem bunten Fähnchen markiert: Australien , England , Costa Rica. Nur dort, wo der Irak liegt, hat Scott einen Totenkopf-Pin in die Karte gesteckt. Zweimal ist er dort gewesen, erst nur für vier Monate, dann noch mal für sieben. 2007 wurde er mit Ehren aus dem Militärdienst entlassen, zu Hause auf seinem Nachttisch in Boulder, Colorado , liegt sogar eine Medaille für »gutes Verhalten im Krieg«. Aber zugejubelt hat ihm danach keiner. Und seinen festen, sicheren Blick hat er auch verloren. Er ist gebrochen. Kann nachts nicht schlafen, hat Albträume, tagsüber sind es Flashbacks oder Panikattacken, die fast immer in Gewaltausbrüchen enden. Polizisten hat er in diesem Rausch schon verprügelt, Sanitäter, und in seiner Wohnung ist in fast jeder Tür ein faustgroßes Loch. Einmal hat er sich während eines Wutanfalls sogar selbst die Hüfte gebrochen. Sein Leben besteht nun aus Therapiesitzungen , Untersuchungen im Veteranen-Krankenhaus und Gerichtsverhandlungen. Die Armee hat ihn wirklich für immer verändert: Scott ist jetzt 27, krank und lebensmüde.
Aber was das Schlimmste ist: Er, der ja kein einfacher Soldat war, sondern Teil einer Elite-Truppe, hat sich nicht mehr unter Kontrolle. Geräusche und Gerüche lösen in ihm Kriegserinnerungen aus und bringen ihn schlagartig zurück in die irakische Wüste. Eine Szene verfolgt ihn täglich: Scott sitzt am Steuer, alles im Griff, meilenweit niemand zu sehen, es ist ein heißer Sommertag 2006, irgendwo bei Falludscha. Auf einmal wird ihr Wagen von einer IED, einem selbst gebauten Sprengsatz, getroffen, Scott wird aus dem Wagen geschleudert, das Nächste, was er sieht, sind ein Arm, der aus dem brennenden Wrack nach ihm ausgestreckt wird, und zwei Augen, die ihn angucken, während das Gesicht drum herum schon in Flammen steht, Scott kann sich nicht rühren, das brennende Gesicht schreit, dann endlich explodiert der Wagen, die Schreie hören auf.
Scott weint, wenn er das erzählt. Keine leisen Tränen, sondern mit dem ganzen Körper. Immer wieder fährt er sich mit dem harten Stoff seiner Cordjacke über die Augen und lässt dort gereizte Haut zurück. Dass er seinem Kameraden nicht helfen konnte, das sei seine große Schuld, die er für immer tragen müsse, sagt er und sackt noch einmal zusammen. Vor zwei Jahren wurde ihm die Schuld zu schwer. Da hat er eine Schere aus der Schublade seiner Küchenzeile genommen und sie sich in den Hals gerammt. Er wusste nicht genau, wo er hinstechen muss, damit er stirbt, also hat er einfach möglichst fest gestoßen. Aber er lebte immer noch. Danach hat er ein Messer genommen und sich entlang der Pulsader einen Schlitz in den linken Unterarm geritzt. Aber auch das hat ihn nicht umgebracht.
Viele andere überleben das Nach-Hause-Kommen nicht. Im Irak gefallen sind 4486 amerikanische Soldaten, nach ihrem Einsatz selbst getötet haben sich 2676. Diese Männer und Frauen haben ihre letzte Schlacht irgendwo in Iowa , Texas oder Colorado gekämpft und verloren. Und sehr viele kämpfen immer noch – gegen die Folgen des Kriegseinsatzes. So wie Scott. Laut staatlich in Auftrag gegebenen Studien entwickelt jeder fünfte Heimkehrer ein Kriegstrauma. Unabhängige Hochrechnungen gehen sogar von jedem dritten aus. Veteranen, die im Krieg funktioniert haben und zurück in der Heimat erst krank werden.
Im Irak war es eigentlich ganz okay, sagt auch Scott. Er sei ein guter Marine gewesen, schnell, wendig, leise und effizient. »Swift, Silent, Deadly« – das war das Motto seines Bataillons. Es war also klar, was zu tun war, und er hat es, verdammt noch mal, ordentlich ausgeführt. »Ich habe keine Unschuldigen getötet, und wenn, dann nur, weil sie im Weg standen. Manchmal ein paar Hunde und Hühner, aber das haben die einheimischen Kinder auch gemacht. Und halt Terroristen.« Wie viele es genau waren, weiß er nicht mehr. Zwar hatte er jeden mit einem Kreuzchen in seinem Kalender vermerkt. Genau wie die freien Tage zwischen den Einsätzen, die Tage, an denen ihn Pakete von seinem Vater mit Tabasco-Nachschub erreicht haben, oder jene, an denen er ungestört masturbieren konnte. Seine Erfolge eben. Das, was wichtig war in den vielen Monaten Kriegseinsatz. Aber der Kalender war kein kleines Büchlein in der Westentasche seiner Uniform, er hatte ihn an die Innenseite des Fahrzeugdachs gekritzelt. Und der Wagen ist ja explodiert. Leider gebe es nur ein unscharfes Foto, sagt er, da könne man nicht alle Kreuzchen richtig erkennen. Und das mit den Tieren sei nur aus Langeweile gewesen. Ein bisschen zielen üben an ruhigen Tagen. »Man muss ja im Training bleiben«, sagt Scott. Er lacht.
Er redet gerne so lässig vom Töten. Am liebsten vor anderen Veteranen und meistens mittwochs nach der Gruppentherapie. Ihr Psychologe Michael Pantaleo bringt sie dort immer zum Weinen, indem er sie auffordert, nur zu erzählen, was sie quält. Völlig fertig gehen die jungen Männer danach immer noch Bier trinken und erzählen sich wie zum Trotz gegenseitig die Geschichten, die sie stolz machen. Heute ist Scott mit Skyler unterwegs, sie stehen mit ihren Getränken auf der Veranda des Backcountry Pizza, teilen sich einen Joint, und Scott erzählt von dem Tag, an dem er dem Topterroristen Al-Sarkawi in die Schulter geschossen hat. Immerhin damals die Nummer eins auf der Fahndungsliste der USA, 25 Millionen Dollar waren auf seinen Kopf ausgesetzt. Entsprechend groß war das Engagement von Scott und seiner Truppe: Schon tagelang hätten sie Sarkawis Haus observiert, dann irgendwann nachts seien sie rein und hätten losgeballert. 15 von Sarkawis buddies hätten sie erwischt, Sarkawi selbst leider nur verwundet mit zwei Schüssen, bevor er floh. Skyler will schon klatschen, aber die Geschichte geht noch weiter: Sarkawis Handy hätten sie sichergestellt, erzählt Scott, und mithilfe der Daten, die darauf waren, hätten die Special Forces ihn zwei Wochen später in der Nähe von Bagdad aufgespürt und »den Bastard endlich weggebombt«. Skyler ist ein guter Zuhörer, er streckt Scott mit militärischem Ruck seine ausgestreckte Hand entgegen und gratuliert; er sei stolz, einen Helden zu kennen. Danach sagt er noch zweimal inbrünstig »awesome«, großartig, und überlässt Scott die letzten Züge am Joint. Scott strahlt. Er wünscht sich mehr Reaktionen wie diese.
Ihre Vorgesetzten im Irak hatten ihnen immer versprochen, ganz Amerika freue sich auf ihre Heimkehr. In Wahrheit aber ist die Bevölkerung gespalten: Die eine Hälfte sagt, sie sei immer gegen diesen Krieg gewesen. Und die andere Hälfte sagt, der Krieg habe sich als Fehler herausgestellt. Nicht genug, dass er ohne Mandat des UN-Sicherheitsrats begonnen wurde, auch die Massenvernichtungswaffen, immerhin Präsident Bushs offizieller Kriegsgrund, wurden nicht gefunden. Amerika hat sich blamiert und musste vor den Augen der Weltöffentlichkeit wenigstens eine halbwegs stabile Nation etablieren. Das hat acht Jahre und sieben Monate gedauert, über 80 Milliarden Dollar und 4486 amerikanische Soldaten das Leben gekostet. Die meisten Toten in diesem Krieg aber waren Zivilisten. In vertraulichen US-Korrespondenzen aus den Jahren 2004 bis 2009, veröffentlicht auf WikiLeaks, tauchen 66081 zivile Opfer auf. Und die vielen Dokumente und Videos unter dem Stichwort »Mord im Irak« belegen auch: Die wurden nicht alle aus Versehen getötet.
Dumm ist Scott nicht. Er weiß, was die Gesellschaft von ihm verlangt: eine Läuterung. Eine Kehrtwende. Er soll Abstand von dem Militäreinsatz nehmen. So wie sie es auch getan hat. Oder wenigstens nicht mehr so viel davon sprechen. Aber für ihn ist das nicht ganz so einfach. Er hat vier Lebensjahre hergegeben, seine besten vielleicht, seine Gesundheit sowieso, er hat für die Sache getötet, und nicht wenige Kameraden sind sogar dafür gestorben. »Ich würde so gerne stolz sein, aber ich darf nicht«, sagt er.
Das zeigt ihm sein Land jeden Tag. Er versucht es trotzdem weiter, etwa im Gerichtssaal, wo sich Scott wegen tätlichen Angriffs auf zwei Polizisten verantworten muss. Ob er noch etwas zu seiner Verteidigung zu sagen habe, fragt die Richterin, die erhöht hinter einer hellbraunen Holzverkleidung sitzt. Er sei ein Marine, und er habe seinem Land gedient, sagt Scott. Gerade will er anfangen, zu erklären, warum er manchmal ausrastet und was das genau mit welchen Gerüchen zu tun hat, aber die Richterin Norma Sierra unterbricht ihn: »Fein«, sagt sie nur, ohne ihn anzuschauen, und vertagt das Urteil erneut. »Fein« – das war die Aufmerksamkeit, die er bekommen hat für seinen Einsatz. Ein einziges Wort? Gestern im Shoppingcenter, als Scott das Outfit gekauft hatte, um vor Gericht einen guten Eindruck zu machen, war es auch nicht besser gelaufen. Er sehe toll aus, hatte die gleichaltrige Angestellte geflötet, als er die Umkleidekabine mit Hemd und Krawatte verlassen hatte. Ob er sich bei der Arbeit so kleiden müsse? Nein, seinen letzten Job bei der cheesecake factory habe er verloren, er sei praktisch arbeitsunfähig, aber er habe im Irak gedient, hatte Scott entgegnet. Daraufhin hatte die junge Frau nur noch »Thank you for your service« genuschelt und war verschwunden. Eine Formel, mit der man Soldaten für ihren Einsatz dankt, die Scott aber mit »Selber schuld, du Idiot« übersetzt. Auch den Fotografen Craig F. Walker hatte er für zehn Monate an seinem Leben teilhaben lassen, weil er um Verständnis für sich werben wollte.
Aber wo immer er es auch versucht, er bekommt keinen Zuspruch: Nicht mal die Frau, die er liebt, kann er mit seinem Einsatz beeindrucken. Er hat es mit ein paar Fotos aus dem Irak versucht: tote Menschen im Staub, abgesprengte Hände, Arme und Beine, die ein, zwei Meter vom Besitzer entfernt liegen. Scott findet das witzig. Bei Cathy versucht er es mit dem Spruch, der auch damals bei den Kameraden schon gut ankam. »Welches Körperteil gehört zu wem?«, fragt er sie und summt dann die Melodie einer Quizsendung nach. Sie findet das nicht witzig, schließt sich im Bad ein, ekelt sich vor ihrem Freund. Dabei hat sie nicht mal gesehen, was Scott im Irak noch witziger fand als Gliedmaßen sortieren: nämlich Gliedmaßen verwirren. Einem toten Iraker hatten Scott und seine Kameraden die abgesprengte Hand eines anderen bis zur Hälfte in die Unterhose geschoben. Cathy sagt, sie liebe Scott nicht wegen seines Einsatzes, sondern trotzdem.
Das ist zwar nicht die Art Unterstützung, die Scott sich erhofft hat, als er Soldat wurde. Aber mehr, als er in den letzten Jahren von den meisten anderen Menschen erfahren hat. Seine Eltern, die Mutter lebt in Florida, der Vater in Kalifornien, melden sich nur unregelmäßig. Der gefallene Held ist ihnen beiden zu anstrengend. Seine erste Frau hat ihn betrogen, als er gerade im Irak war, und seine zweite Verlobte hat ihn verlassen, als sich die Symptome mehrten – als herauskam, dass ihr Zukünftiger ein verletzter junger Mann ist, der immer häufiger die Kontrolle über sich selbst verliert.
Direkt nach seiner Rückkehr aus dem Krieg hat Scott angefangen, seine Trigger, jene Reize, die bei ihm Panik auslösen, zu sammeln und in einer Liste im Handy zu speichern: Der Geruch von Benzin bei Hitze, der Geruch von verbranntem Fleisch – er meidet im Restaurant Tische nahe der Küche – genau wie Hinterhöfe mit Mülltonnen, auf die lange die Sonne geschienen hat. Tabasco generell, weil er den im Irak über jede Mahlzeit gekippt hat. Den letzten Schluck Wasser aus einer warmen Plastikflasche. Feuerwerke natürlich. Diese Liste ist über die Jahre immer länger geworden – und die notierten Trigger immer alltäglicher. Am Ende reichen schon ein Hupen oder eine wuchtig zugeschlagene Autotür, und Scott zittert. Da wird jede Straßenkreuzung zur Herausforderung.
Erst im Winter 2011, vier Jahre nach seiner Rückkehr und kurz bevor die letzten amerikanischen Soldaten aus dem Irak abgezogen wurden, sucht Scott psychologische Hilfe im Krankenhaus für Veteranen in Denver . Er will sich für eine Therapie anmelden, aber die Ärzte behalten ihn gleich da. Plötzlich geht es darum, sein Leben zu retten, er wiegt nur noch 63 Kilo bei einer Größe von 1,86, kann nicht mehr schlucken, hat Heulkrämpfe, zittert die ganze Zeit. Sie behandeln ihn stationär. Danach melden sie Scott für Einzel- und Gruppentherapien an, ordnen Psychopharmaka an, überweisen ihm eine Soforthilfe von 20.000 Dollar, und auch sein monatlicher Rentensatz wird erhöht, er liegt jetzt bei 2700 Dollar. Sein Leid wird anerkannt. Der Staat kümmert sich.
Trotzdem macht es diese offizielle Diagnose erst richtig kompliziert für Scott. Jetzt hat er es schwarz auf weiß: Sein eigener Körper arbeitet gegen ihn. Er leidet an einer Posttraumatischen Belastungsstörung. Sein Gehirn reagiert – mit Verzögerung – auf die Angst, Furcht und Hilflosigkeit, die er während des Krieges empfand. Eine psychische Erkrankung, die er zunächst nicht annehmen will, weil sie nicht sein darf. Schwach sein bedeutet Scheitern in der Welt, aus der er kommt. So steht es im Glaubensbekenntnis seines Bataillons, einer Art Selbstvergewisserungsgebet, das er vier Jahre lang mindestens einmal am Tag laut aufgesagt hat – immer im Chor mit seinen Kameraden: »Sich ergeben, den Kampf beenden, Schwäche eingestehen bedeutet versagen. Ein Marine duldet kein Scheitern.« Außerdem: Er hatte doch gar keine Angst, er fühlte sich doch nie hilflos, er hatte alles im Griff. Gut, bis auf das eine Mal, als der Kamerad im Auto verbrannt ist. Aber wie kann er ein Trauma davongetragen haben, wenn er doch so gut funktioniert hat da drüben? Sein Gehirn meldet Verletzungen, von denen Scott gar nicht bemerkt hat, dass er sie sich zugezogen hat. Ein Paradoxon im eigenen Kopf.
Jeden Dienstag versucht es sein Psychologe Michael Pantaleo mit Scott gemeinsam aufzulösen. Scott will das einerseits, andererseits will er es nicht. Er weiß, wie riskant das ist. Die Kriegsgrundlage haben sie ihm ja eh schon unter den Füßen weggezogen und ihn um den verdienten Zuspruch gebracht. Dass er nicht als Held gefeiert wird, damit konnte er leben – solange er sich selbst sicher war, das Richtige getan zu haben. Aber wenn Scott an seine Handlungen die Maßstäbe einer Zivilgesellschaft anlegt, dann ist er womöglich ein Mörder, mindestens aber ein Leichenschänder. Und woher hatte sein Bataillonsführer eigentlich so genau gewusst, wer Aufständischer und wer Zivilist ist? Und was ist, wenn der sich nicht nur im Einzelfall geirrt hat, sondern wenn wirklich dieser ganze Krieg illegitim war? Dann waren ja alle Befehle ohne Grundlage. Und nur sie sind es doch, die zwischen ihm und der Schuld stehen. Sie sind die Mauer, die ihn schützt. »Befehl ist Befehl«, murmelt er. Und weil ihn das selbst nicht überzeugt, sagt er dann noch: »Das waren schlechte Menschen.« Klingt auch irgendwie blöd. Er merkt es selbst und lächelt. Aber eine andere Antwort geht gerade nicht.
Fotos von Craig F. Walker